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Broderstorfer Bauausschuss
am Montag, den 25.März 2013


Gemeindepolitik
Es ist ein Ausschuss, der ausschließlich nicht öffentlich tagt.
Kommunalverfassungssicher abgesegnet - versteht sich.
Obwohl, zum guten demokratischen Stil gehört es sicherlich nicht,
der Öffentlichkeit die Tür vor der Nase zuzuschlagen und über Dinge zu beraten,
die nicht in jedem Falle datenschutzrechtlich schützenswert sind.
Aber das nur nebenbei.

Diese Ausschuss-Sitzung war anders.

Nach einem etwas holprigen Intro
stellte sie tatsächlich einen Akt basisdemokratischen Entgegenkommens von Seiten der Volksvertreter dar.
Zumindest zum Teil.

Doch eins nach dem anderen.

Die Vorgeschichte.

Nachdem auf der letzten Gemeinderatsversammlung der Bürgermeister informierte,
dass der Investor der geplanten Hähnchenmastanlage im OT Fienstorf
durch die Fachausschüsse der Gemeinde ziehe, um sein Projekt vorzustellen,
klingelten bei der Bürgerinitiative die Alarmglocken.

Was geht hier vor, fragten sich die Aktiven.
Will gar die Gemeinde erneut über die Errichtung der Anlage "befinden" - also entscheiden ?
Rechnet sich der Investor in Broderstorf bessere Chancen aus - ein "gemeindliches Einvernehmen" zu erringen?
Soll die Versagung dieses Einvernehmens, durch die nunmehr eingemeindete Gemeinde Steinfeld,
im Broderstorfer Parlament ersetzt werden?

Als erste Anzeichen für ein solches Bestreben wertete man die Thematisierung im Gemeinderat.
Auch die Ausschussempfehlung, dem Vorhaben zuzustimmen,
welche durch den Vorsitzenden des Ausschusses für Ordnung und Umwelt
auf der letzten Gemeindevertreterversammlung gegeben wurde, sei ein deutliches Zeichen.
Eine Ausschussempfehlung wird eingeholt, wenn man einen Beschluss im Gemeinderat fassen will.

Selbst massive Beschwichtigungsversuche, insbesondere durch den Bürgermeister,
konnten die Befürchtungen nicht vom Tisch wischen.
Die Skepsis ist groß.

Es wurde bekannt, dass der Investor erneut eingeladen wurde,
um in einem weiteren Ausschuss - dem Bauausschuss - die geplante Hähnchenmastanlage vorzustellen.
Die Vorsitzende der Bürgerinitiative, Frau Leonhardt, bemühte sich um eine Teilnahme an dieser,
eigentlich nichtöffentlichen Sitzung.

Der Ausschussvorsitzende, Herr Jesse, versprach sich zu bemühen, um eine Teilnahme zu ermöglichen.
Hierbei kam es, wie sich zeigt, zu einem Missverständnis.
Während Frau Leonhardt immer im Namen der Bürgerinitiative sprach,
meinte Herr Jesse nur die Person.

So war der Ausschussvorsitzende dann auch sichtlich erstaunt und überrascht
als die Bürgerinitiative in Mannschaftsstärke mit ca.20 Aktiven zur Sitzung erschien.

Während der Bürgermeister sich auf die Kommunalverfassung
und das Recht zum nichtöffentlichem Tagen des Ausschusses berief,
sprach der Bauamtsleiter, Herr Pampel, gar von "Nötigung" der Ausschussmitglieder.

Es ist Herrn Jesse zu verdanken, dass die Situation nicht eskalierte und es nicht zum Eklat kam.

Er folgte den Argumenten der Bürgerinitiative,
die sich für einen Dialog und gegen eine Konfrontation aussprach.
Nach kurzer Abstimmung mit den anderen Ausschussmitgliedern,
öffnete er die Türen und alle Bürger konnten zum Thema Hähnchenmastanlage an der Sitzung teilnehmen.

Für diese demokratische Geste sei ihm an dieser Stelle noch einmal,
im Namen aller Bürger, aus ganzem Herzen gedankt.

Sehr ausführlich stellte der Investor sein Projekt vor.
Er sprach von Verantwortung gegenüber seiner Familie und seinen Angestellten,
Diese wolle er in wirtschaftlich unsicheren Zeiten über mehrer Standbeine absichern.
Hähnchenfleisch verkaufe sich gut und die Preise würden steigen.
Die bereits errichtete Biogasanlage gehöre zum Konzept
und würde neben Strom auch den Wärmebedarf der Hähnchen abdecken.
Der sogenannte "Gärrest" aus der Anlage, enthalte viele Stoffe (z.B. Phosphate),
welche auf die Felder gebracht, die Bodenqualität erhöhe.
Die Gülle aus angrenzenden Tierzuchtbetrieben,
müsse nicht mehr geruchbelästigend auf die Felder verstreut werden
und diene gemeinsam mit Mais und Hühnermist dem Betrieb der Biogasanlage.
Die Straßen der Gemeinde, seien im Rahmen des landwirtschaftlichen Wegebaus errichtet worden
und für den, mit dem Projekt zu erwartenden Verkehr ausgelegt.

All die vorgetragenen Argumente klangen schlüssig und überzeugend.
Mehrfach betonte der Investor seine Verbundenheit mit der Gemeinde und der Region.

Interessant und deshalb besonders erwähnenswert ist,
nach welchen Kriterien der Investor den Standort für sein Vorhaben ausgewählt hat.

Hierbei habe er sich an der Raumordnung orientiert.
In dieser Gegend der Gemeinde Steinfeld habe es keine Schutzgebiete gegeben.
Von 2007 an, habe die Gemeinde Steinfeld
den Ausbau des agrarwirtschaftlichen Standorts (Arbeit-Wohnen-Pferdezucht) positiv begleitet.

2007 gab es in Steinfeld durch den Rücktritt des Gemeindevertreters Zentsch eine Kommunalwahl,
die eine parlamentarische Mehrheit für den "Steinfelder Kreis" und die "Liste Steinfeld" herstellte.
Diese Mehrheit sorgte u.a. für den Bau des Windrades bei Fienstorf
und schmetterte den Versuch der WG "Frischen Wind" ab, einen Flächennutzungsplan aufzustellen.
Ein solcher Flächennutzungsplan hätte es dem Investor aus Sicht der Raumordnung heute sehr erschwert
sein Vorhaben genehmigungsfähig zu machen.

Frau Zimmermann, vom Planungsbüro des Investors bestätigte dies indirekt.
In einer Machbarkeitsstudie habe man für die Errichtung eines agrarindustriellen Komplexes
die idealen Bedingungen vorgefunden.

Die Planerin betonte, dass vorgeschriebene Grenzen für die Emissionen gibt.
Sie berief sich auf den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand und auf Gutachten.
In Hinblick auf die Schutzgüter Mensch, Tier und Umwelt gäbe es keine "Wirkraumüberschreitung",
man bleibe unter den vorgeschriebenen Limits.

Sie verwies auf die Auslage der Unterlagen und die Möglichkeit der Einsichtnahme.
Die vielen Einwendungen der Bürger müsse man nun gemeinsam mit der Genehmigungsbehörde sichten.
Zum Erörterungstermin am 29.Mai werde dazu öffentlich Stellung genommen.
Danach sei es an der Genehmigungsbehörde, über den Bau der Anlage zu entscheiden.

Herr Ellermann von der BI dankte für die Möglichkeit der Teilnahme an der Sitzung
und stellte die Frage an den Bürgermeister, ob die Gemeinde eine Beschlussfassung anstrebe,
die abschlägige Entscheidung der Gemeinde Steinfeld zur geplanten Anlage zu ersetzen.

Der Ausschussvorsitzende und später auch der Bürgermeister bemühten sich,
die wiederholt geäußerte Begründung zu vertiefen, dass es sich um eine reine Information handele.
Die Mitglieder der Gremien in Broderstorf würden die Details der geplanten Anlage nicht kennen
und hätten jetzt die Möglichkeit sich zu informieren.
Für den Fall, dass die Gemeinde Broderstorf durch die Genehmigungsbehörde
zu einer Stellungnahme aufgefordert würde, sei man dann schon vorbereitet.
Hanns Lange betonte, dass es keinen aktuellen Anlass gäbe,
über die Angelegenheit in der Gemeinde erneut zu befinden.

Später in der Sitzung fragte ein Mitglied der Bürgerinitiative,
auf die einseitige Informationspolitik anspielend,
ob einer der Ausschussmitglieder oder der Gemeinderäte
auch die Argumente der Gegner der Anlage kenne.
Ob man denn die Einwendungen der Bürger gelesen habe - so die Frage,
auf die man nur verneinendes Kopfschütteln erntete.

Eva Leonhardt, dankte als Vorsitzende der BI auch noch einmal für die Möglichkeit der Sitzungsteilnahme
und stellte eine ähnliche Frage, wie Herr Ellermann.

Sie gab ihrer Verwunderung Ausdruck, wieso es überhaupt notwendig sei,
dass der Investor zur Vorstellung seines Projektes
zu diesem Zeitpunkt des Genehmigungsverfahrens eingeladen werde.
Dies sei überaus ungewöhnlich.

Das Genehmigungsverfahren sei fast abgeschlossen
und die Beteiligung der Gemeinden bereits vor Monaten erfolgt.

Eine Informationspflicht für die Gemeindevertreter könne sie nicht erkennen.
Alles sei seit Monaten öffentlich.
Die Unterlagen haben wochenlang zur Einsicht ausgelegen,
jeder habe die Möglichkeit der Information gehabt.
Es könne eigentlich gar nicht sein, dass die Damen und Herren Volksvertreter das Vorhaben nicht kennen.

Der Ausschussvorsitzende antwortete, dass die Veranstaltung der Vertiefung des Wissens diene.
Da man Broderstorf bisher zu keiner Stellungnahme aufgefordert habe,
musste man sich rein juristisch auch noch nicht damit befassen.
Nun, in der Rechtsnachfolge der Gemeinde Steinfeld wolle und müsse man sich damit auseinandersetzen.

Später, auf die Verwunderung von Herrn Nagel darüber, dass man Broderstorf als Nachbargemeinde Steinfelds
zu keiner Stellungnahme aufgefordert habe, führte er anknüpfend aus,
dass man nunmehr nicht "beteiligt" sondern betroffen sei.

Eva Leonhardt fasste die Antwort auf ihre Frage abschließend zusammen.
Sie habe erfahren, dass diese Veranstaltung für Menschen gedacht sei,
die sich mit der Errichtung einer Massentieranlage auf Gemeindegebiet noch nicht beschäftigt haben.
Wir haben so viel mitbekommen - sie (die Ausschussmitglieder),
werden heute keine Beschlüsse fassen - stellte Eva Leonhardt fest.
Sie gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Volksvertreter im Sinne der Bürger handeln,
denn schließlich, so Eva Leonhardt, wollen sie ja wiedergewählt werden,
zur Kommunalwahl, wenn die Bürger zu entscheiden haben.

Später in der Sitzung
machte Eva Leonhardt noch auf einen interessanten zeitlichen Zusammenhang aufmerksam:
die Projektvorstellung 2010 im Gemeinderat Steinfelds
fällt mit der Aktivierung der Bemühungen zusammen,
die Eingemeindung Steinfelds nach Broderstorf zu forcieren.

Frau Dr. Herzog fragte,
ob sich die Volksvertreter der Unverhältnismäßigkeit bewusst seien
- während zum Nutzen eines einzelnen Investors
- Schäden bei den Menschen einer ganzen Region in Kauf genommen würden.

Eigentlich wäre die Diskussion hiermit zu ende gewesen.
Einige Mitglieder der Bürgerinitiative nutzten die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Herr Pohl fragte, ob es bei den Fusionsverhandlungen mit Steinfeld
nicht Pflicht der Gemeinderäte gewesen wäre,
sich über die geplanten Vorhaben in Steinfeld zu informieren.
Wenn man ein gebrauchtes Auto kaufe, mache man sich auch über die Bedingungen kundig
und kaufe nicht die Katze im Sack.
Seiner Ansicht nach, trage die Gemeindevertretung in Broderstorf Mitverantwortung
an dem Beschluss zur HMA in Steinfeld.
Er bezweifelte die Aussagen des Investors.
Seiner Meinung nach werden die Auswirkungen verharmlost.
Aus eigenem Erleben schilderte er die untragbare Belastung der Straßen.
Er sprach von faustgroßen Stücken, die sich durch den landwirtschaftlichen Verkehr
auf der Strasse fanden.
Mit Unverständnis reagierte er auf das Ansinnen,
wegen finanzieller Härte für den Investor auf Filteranlagen zu verzichten.
Wer, so Herr Pohl, beziffere die finanziellen Härten für 300 bis 400 Grundstückseigener
die einen enormen Wertverlust hinnehmen müssten ?

Die Planerin des Investors antwortete in Hinblick auf die Filteranlage.
Es sei derzeit keine geeignete Technik verfügbar, um die Geruchsbelastung zu mindern.
Die Entlüftung sei aber so geplant, das eine Nachrüstung möglich sei.

Diese Argumentation, die sie wiederholt unterlegte, sorgte bei den Bürgern für Kopfschütteln.

Keine Silbe verlor die Planerin zu möglichen Gesundheitsrisiken
durch multiresistente Keime und schädliche Stoffe, die so ungefiltert in die Umwelt gelangen.
Die technischen Möglichkeiten hier für eine Entlastung zu sorgen,
sind bekannter Weise vorhanden - wenn auch teuer.

Herr Röber aus Öftenhäven fragte,
ob den Ausschussmitgliedern die Tonnagebegrenzung der Strassen
zwischen Fienstorf und Groß Kussewitz bekannt sei.
In den Unterlagen werde diese Strasse als Haupttransportweg favorisiert.

Auf das Kopfschütteln der Ausschussmitglieder reagierte Bauamtsleiter Herr Pampel,
die Straße sei auf 7,5 Tonnen begrenzt informierte er.

Herr Junge, als Landwirt, warf ein,
dass die Achslastenbegrenzungen für Landtechnik genauso gelte, wie für den normalen Verkehr.

Die Planerin widersprach der Favorisierung der nachgefragten Strecke.
Ihrer Auskunft nach, sei die Streckenführung über Broderstorf genauso gebrauchsfähig.
Dies gehe aber nicht aus den Unterlagen hervor, entgegneten Mitglieder der BI.

An dieser Stelle sei noch auf ein Äußerung des Investors, die Straßen betreffend, hingewiesen.
Er werde selbstverständlich für Straßenschäden aufkommen, die man ihm nachweise.
Daraus ergibt sich eine gute Frage - wie soll dieser "Nachweis" zustande kommen?

Herr Röber stellte etwas provokativ die Frage,
wer eigentlich die Grundstückseigener für den Wertverlust entschädige,
wenn die Anlage genehmigt werden sollte.
Könne man dafür die Gemeinde in die Pflicht nehmen?

Dem widersprach Herr Jesse, die Gemeinde sei hier nicht in die Verantwortung zu nehmen.
Solche Entschädigungen müsste man schon beim "Vater Staat" einklagen.

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