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Anfang September,
ein sonniger Wochenendtag,
der Fahrradhelm sitzt.
Die Familie, 2+2, radelt vergnügt
von Fienstorf Richtung Öftenhäven.
Ein gut Stück ist geschafft,
man befindet sich auf Höhe
kurz vor der letzten weiten Rechtsbiegung,
fast am Ende des Maisschlages zur Rechten.
Der Mais steht hoch,
einer grünen Wand gleich,
verwehrt er den Blick
auf den weiteren Straßenverlauf.
Ist halt so.
Die Eltern sind vorbildlich,
Vati vornweg,
dann folgt der 12 jährige Sohn,
er hat gerade vor zwei Wochen
das neue Mountainbike bekommen
– Jungfernflug sozusagen.
Ihm folgt die kleine Schwester.
Mit ihren gerade neun Jahren
muss sie noch mit dem Kinderrad vorlieb nehmen,
recht mühsam aber es ist pink
und die Kleine hat Spaß am Fahrradfahren.
Hinten Mutti
– sie hat den Überblick und sichert ab.
Zu Beginn der „Kurve“
liegen recht viele Steine auf der Straße,
sie sind aus der losen Bankette
auf die Fahrbahn „gefahren“,
ein üblicher Zustand auf dieser Strecke.
Alle fahren auf der Straße
und nicht im Schotterbett daneben.
Vater und Bruder umrunden geschickt
die Kiesel auf der Piste,
auch die Kleine schlägt sich wacker – bis,
ja bis diese hinreißende Katze
am Rande des Maisfeldes entdeckt.
Genau jetzt
ist sie mit dem Tier auf gleicher Höhe,
sie ähnelt ihrer Kitty fast bis aufs Haar.
Schwarz mit weißen „Söckchen“ und weißem Latz.
Unsere Kleine schaut noch mal genau hin
um nach dem Unterschied zu Kitty zu fahnden
– Kinder halt.
So sieht sie nicht
den miesen, fiesen Schotterstein
direkt vor ihrem Rad,
wie Bruder und Vater zuvor
und erwischt ihn so mit dem Rad,
dass sie mit einem Ruf des Schrecks
nach rechts zum Straßenrand hin stürzt.
Die Mutter sieht den Unfall,
kann aber den Schreckensruf ihrer Tochter
nicht mehr hören,
denn während sie das Geschehen
direkt vor sich realisiert,
weicht sie mittels einer Reflexbewegung
in die Straßenmitte aus,
um nicht in die stürzende Tochter zu fahren.
Außerdem kann sie den Schrei des Kindes nicht hören,
weil er untergeht
im brüllenden Lärm eines beschleunigenden Motors.
Die Katze ist im Mais verschwunden.
Anfang September,
ein sonniger Wochenendtag,
die Cabriomütze sitzt.
Der junge Mann hat gerade
in den dritten Gang geschaltet,
seine attraktive Begleiterin
wird in den Sitz gepresst und meint,
sie müsse sich das stilechte Kopftuch
mit der Hand festhalten,
auf dass es ihr nicht herunterweht.
Sie meint das zu Recht,
denn dieses Cabrio ist eine echte „Waffe“.
Hergestellt in Deutschland,
ist es mit einem Motor versehen,
ich kann ihnen sagen – da geht was !
Und genau dafür
hat der junge Mann den „Ofen“ auch gemietet.
Na ja,
genau genommen noch mehr für das,
was er damit bei seiner äußerst attraktiven Begleiterin
an diesem Wochenende noch zu erreichen hofft
– spätere Heirat nicht ausgeschlossen.
Sie ist so wunderschön,
ihr Gesicht wie aus Porzellan,
die blonden Haare erinnern gewollt
an eine Marylin M.,
die Sonnenbrille verdeckt nicht zu viel
von ihrem seidenen Teint,
das „make up“ eine Symphonie
aus Farbe, Stil und Geschmack.
Er kennt die Strecke,
wir wissen nicht ob es daran liegt,
dass sie nicht die Erste ist,
mit der er eine solche Tour macht
und es spielt auch keine Rolle
an diesem sonnigen Septembertag.
Gerade bog er von Steinfeld kommend nach Fienstorf ab,
das vermüllte Gutshaus Öftenhäven hinter sich lassend
und nun tritt er durch.
Er liebt dieses kurzer Stück mit der Doppelkurve
und dem Busch links in Biegung eins.
Kurz schießt ihm noch ein,
dass hier sonst ein 50 km/h – Schild stand,
während er, Vollgas natürlich,
in den Dritten schaltet.
„Umso besser !“ denkt er noch
als er, ganz in Stile von Keke Roßberg
die Kurve durchfliegt.
Seine Begleiterin jucht auf,
er schaut sie an,
die letzte Kurve öffnet sich
und nur aus dem Augenwinkel
nimmt er den Mann und den Jungen wahr,
die unvermittelt hinter der
durch den Mais verdeckten Biegung auftauchen.
Die geile Karre ist inzwischen
auf gut 90 Km/h beschleunigt.
Sein Reflex kommt sicher,
er weicht aus,
der Wagen schlingert,
die Straße ist schmal,
die Bankette ausgefahren und tief,
eine Menge Steine liegen auf dem Asphalt
- er lenkt gegen.
Dann trifft der Wagen die Mutter auf dem Rad,
immer noch gut 80 km/h schnell.
Es ist so ein flaches Ding, dieses Cabrio,
liegt wie eine Flunder,
wenn man ihm die Sporen gibt.
Die Frau auf dem Fahrrad
wird unterhalb der Hüfte getroffen,
dort hat sie keinen Helm.
Sie bricht an dieser Stelle einfach durch
und wird über die Motorhaube
in die Frontscheibe geschleudert.
Noch während sich das Cabrio
auf den unkontrollierten Weg ins Maisfeld macht,
bricht die Wirbelsäule der Frau drei Mal,
ihr Schädel sechs Mal und seine Basis zwei Mal.
Vieles andere bricht auch,
wird gequetscht, zermalmt,
reißt oder platzt.
Jetzt durchschlägt ihr Ellenbogen die Windschutzscheibe,
einfach so.
Das Glas zerbirst in tausend Splitter,
genau vor dem Gesicht der Beifahrerin.
Von diesem bleibt nur wenig übrig,
vor allem nachdem der offene Bruch des Ellenbogens
mit unheimlicher Wucht auf ihr Jochbein trifft.
Stille !
Unheimliche Stille !
Auf der Straße stehen ein Mann und ein Junge
mit Fahrrädern zwischen den Beinen
und blicken in Richtung Maisfeld.
Am Straßenrand sitzt ein ca. neunjähriges Mädchen
mit aufgeschlagenen Knien und einem geschürften Unterarm,
neben einem liegenden Kinderrad.
Auch sie blickt in Richtung Maisfeld.
Dort wohin die drei schauen
ist ein Loch in der grünen Wand,
sonst nichts.
Es gab also eine Verkehrsschau
in diesem Bereich,
so so !
Und man fährt dort auf „Sicht“
nach dem „Sichtfahrgebot“,
gut gut !
Sind sich alle sicher,
dass das so in Ordnung geht ?
Alle Unfallbeteiligten haben überlebt !
Die Familie wird nie wieder gemeinsam Rad fahren,
die Mutter braucht jetzt mehr als ein Rad.
Der junge Mann wird die Blondine nicht heiraten
und sie trägt seit dem immer sehr große Sonnenbrillen.
Schit happens
und wenn es nötig ist,
auch wegen einer Genehmigung,
die mit allen Mitteln erzwungen werden muss.
Wir alle müssen Opfer bringen
für Wachstum, Wohlstand,
Moderne und Fortschritt !
Have nice Radtour, enjoy your Cabrio !
M. Eckart, ocs
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