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09:45 Uhr,
Polizeirevier Ulmenstraße – vor dem Umbau.
Ich sitze gemeinsam mit dem Tischlermeister aus dem Lohmühlenweg
bei einem Polizeibeamten.
Vor ihm breiten wir Fotos von Grafitischmierereien
an unseren und anderen Häusern in der Doberaner
und anliegenden Straßen aus.
Außerdem haben wir drei Anzeigen
weiterer „Geschädigter“ bei uns.
Der Beamte schaut uns genervt an,
mit einem Blick der mehr als eindeutig sagt:
„Wie kommt ihr eigentlich dazu,
uns als Polizei mit einem solchen Scheiß zu belästigen ?“
„Ja, ja natürlich ist das ärgerlich !“,
murmelt der der Kommissar.
„Allerdings mache ich ihnen nicht viel Hoffnung !
Wir werden die Fotos mit unserer Datenbank abgleichen
und wenn wir irgendwann einmal
einen von den Burschen erwischen sollten,
ihm ein bestimmtes Bild zuordnen können,
dann gleichen wir ab.“
Ich wage zaghaft anzumerken,
dass es sich unzweifelhaft um Sachbeschädigung
und mithin um einen Straftatbestand handelt
– der Beamte schnieft gelangweilt.
„Ach ja, die gute alte Sachbeschädigung,
ich weiß, ich weiß !
Kennen wir !
Wir melden uns !
Schönen Tag noch, die Herren,
ihre Anzeigen sind ja aufgenommen.“
Nach Verlassen des Büros
habe ich vor der Tür das Gefühl,
ich könnte hören,
wie unsere Anzeigen zerknüllt im Papierkorb landen
– acht Wochen später wird uns allen lapidar mitgeteilt,
dass die Ermittlungen eingestellt wurden.
02:30 Uhr,
letzter Freitagmorgen, Doberaner Straße – Ecke – Am Kabutzenhof.
Mein Schwager dreht eine Nachtrunde mit seinem Hund (Westentaschenformat),
als er zwei „Sprayer“ bei der „Arbeit“ beobachtet.
Flugs zückt er das Handy und wählt die Polizeinummer.
Es geht tatsächlich jemand ran.
Er meldet den „Vorfall“, die Sprayer „arbeiten“ fleißig weiter,
der Beamte am Telefon teilt unmissverständlich mit,
dass mein Schwager sich den Anruf hätte sparen können.
Es wären einfach nicht genug Beamte vorhanden,
um sich mit solchen „Dingen“ zu befassen
– schönen Tag noch !
Das war’s.
Die „Künstler“ haben ihr Werk an diesem Haus vollbracht
– übergroß, schwarz und hässlich steht dort nun
„ACAB“ – all cops are bastards
– es fällt mir schwer, es nicht ähnlich zu sehen.
Die Sprayer werden in dieser Nacht noch 12 Häuser schaffen,
einige davon bisher unbeschmiert
– eigentlich so gut wie unmöglich in Rostocks KTV.
16:49 Uhr
Straße von Öftenhäven nach Fienstorf.
Gerade sind die ersten Demonstranten auf dem vorzeitigen Rückweg
von der Demo gegen die geplante Hähnchenmastanlage,
ich auch
– gesellschaftliche Verpflichtungen.
Einer der Demonstranten,
die mit uns auf dem Rückweg sind,
trägt eine Fackel.
Sie ist noch recht groß
und mithin kann sie auch weiter genutzt werden.
So kommt ihm der geniale Gedanke,
selbige so abzulegen,
dass ein anderer Demonstrant sie weiter nutzen kann,
auf dem Zug von der Grundstückszufahrt des „Investors“ zum Treffplatz,
wo es noch ein wenig weiter gehen soll,
für alle ohne gesellschaftliche Verpflichtung
– anderweitige.
Der pfiffige Fackelträger
steckt diese nun also in ein Loch
in einem dieser schwarz-weißen Pylone,
das klappt ganz famos,
der laue Wind hält das Feuer von dem Pylon fern.
Plötzlich hört man ein Auto scharfanfahren.
Schotter knirscht unter kurz durchdrehenden Rädern.
Wir wenden uns um und sehen,
wie aus der Einfahrt zur Biogasanlage
einen Passat schneller werdend heranrauscht.
Blaulicht blitzt auf – ein Polizeiwagen.
Es ist einer von mehreren, am heutigen Abend.
Sie alle waren sehr offensiv postiert
an sämtlichen Zufahrten zu den Objekten des Bauern Kühl.
Ernst dreinblickende Beamte
in ihren respektgebietenden neuen schwarzblauen Uniformen
ließen keinen Zweifel,
dass sie kompromisslos ihre Fahrzeuge,
noch viel wichtiger aber,
dass Eigentum des Investors, Herrn Kühl,
vor jeder Störung
durch die mutmaßlich militante Pöbelmenge schützen würden.
So jedenfalls sah es aus !
Doch weiter !
Der Polizeiwagen erreicht den Fackeldeponierer
und macht ihm klar,
dass dem Pylon Schaden drohe,
durch die Fackel.
Träte dieser Fall ein, wäre das eine Sachbeschädigung.
Hört, hört !
Um derlei Straftat zu verhindern
griffen sie nunmehr ein
und fordern den möglichen Verbrecher auf,
sofort zurückzugehen
und die Fackel von dem lebensbedrohten Pylon zu entfernen.
Hinreichend über Rechtslage, Allgemeingefährdung und Schändlichkeit
der eigenen Untat erschreckt,
eilte der angehende Gesetzesbrecher zurück,
den Tatbestand zu vereiteln – allein zu spät.
Ein anderer Demonstrant
hatte sich bereits der Fackel bemächtigt
und freute sich der veritablen Länge des Fundobjektes.
Noch mal Glück gehabt Fienstorf !
Dank der allumfassenden Präsens und der dienstbereiten Aufmerksamkeit
der privates und gesellschaftliches Eigentum schützenden Beamten,
wurde die Katastrophe
eines durch Fackel gemeuchelten Pylonen
vor den Toren Fienstorfs verhindert.
Gratulation !
Die Beamten haben richtig gehandelt,
niemand wurde festgenommen,
keiner angezeigt,
alles war cool.
Dennoch, ich finde es zum Kotzen,
dass friedliche Demonstranten
durch ein absolut überbordendes Polizeiaufgebot
als militanter Mob kriminalisiert werden.
Es ist eine Scheißsauerei,
dass ein Bauer mit seinem Tier-KZ
ruck zuck eine halbe Hundertschaft Polizei
zum Schutz bereitgestellt wird
und gleichzeitig Rostock in Gesetzlosigkeit ersäuft.
Wer entscheidet eigentlich,
wessen Güter schützenswert sind
und wo es scheißegal ist.
Wer ist eigentlich in der Lage,
die Polizei davon zu überzeugen,
dass die Demonstration von friedlichen aber besorgten Bürgern
derart gefährlich sein könnte,
dass man mit einer ganzen Hand voll Einsatzfahrzeugen
nebst Besatzung vor Ort sein muss ?
Herr Kühl ?
Ich hoffe nicht !
Irgendwas läuft gewaltig schief
und ist zum Himmel stinkend faul,
und zwar nicht im Staate Dänemark.
Have a nice week !
M. Eckart, ocs
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