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Good morning STEINFELD !
Kolumne zum Wochenbeginn
Numero 132

ocs

Endlich ist es vollbracht.
Die Sauerei ist erledigt, der “Saustall“ kann jetzt ausgemistet werden,
das Massaker ist vorbei.

Seit Wochen war es das größte anzunehmende Ärgernis
seit der Erfindung des Geldes,
was ich da so erdulden musste.

Jeden Morgen war mir schon schlecht,
bevor ich auch nur ansatzweise an das Problem dachte.
Wie kann so etwas passieren ?
Wie kommt es, dass eine Entwicklung so völlig aus dem Ruder läuft
und man schon zu den sehr hartgesottenen Zeitgenossen gehören muss,
um bei diesen Bildern nicht das Kotzen zu kriegen.

Eine fast unerträglich lange Zeit
wurde man Tag für Tag mit immer der gleichen Problematik konfrontiert,
doch seit gestern ist es vorbei – endlich
und für diese Angelegenheit auch endgültig.

Nie mehr werde ich „normale“ Broilerküken
zur Eigenbedarfsmast kaufen – never.

Von Kindesbeinen an kenne ich das „Landleben“.
Bei den Großeltern gab es alles,
von der Milchkuh über die Schweine, Gänse, Puten, Enten
bis hin zu den Hühnern.

Seit Jahren halte ich mir Geflügel
– für den Eigenbedarf an Eiern, Entenbraten
und seit einiger Zeit auch Broiler (korrekt Masthähnchen).

Ich kenne mich also ein wenig aus
mit all dem, was mit Haltung, Fütterung und Verwertung
von derlei Getier zusammenhängt.

Aus Neugier habe ich schon mal einen Trupp Broiler maximal ausgemästet,
8,4 kg hatte das schwerste Tier.

Besonders verblüffend daran war die Tatsache,
dass ich nach vier Wochen völlig auf Mastfutter verzichtet hatte,
eigentlich um die unerfreulichen Beimengungen,
welche sich in diesem Futter befinden, „auszufüttern“.

Schon seinerzeit schwante mir,
dass etwas nicht stimmen kann,
mit diesen bewegungsgehemmten, fressgierigen, ewig fieberheißen Tieren.
Was genau, wurde mir dann mit den 15 jungen Masthühnern klar,
die ich dieses Jahr Anfang Mai einstallte.

Von Anfang an gelang es mir nicht,
diese Tiere zum Verlassen des Stalls zu bewegen.
Selbst gezielte Futtergabe außerhalb des Stalles half nicht,
ein paar von ihnen fraßen dann eben nicht
und die übrigen torkelten kurz zur Futterquelle,
fraßen sich den Kropf voll
und quälten sich dann flugs in den Stall zurück.

Während noch vor ein paar Jahren
spätestens nach 3 Wochen alle Broiler lustig auf dem Hof rumstaksten,
mit ihrem breitbeinigen Gang,
der unweigerlich an einen Sumoringer mit weißen Federn erinnernd,
rührten sich dieses Jahr die Tiere keinen Schritt raus,
mal abgesehen von einem „Fluchtbroiler“.

Auch die Form der Tiere hat sich geändert.
Während in den vergangenen Jahren die Masthühner noch als Hühner erkennbar waren,
frage ich mich heute, was das da für weiße Federkisten sind,
die sich nur erheben,
um mir während der Fütterung gierig krächzend vor den Knochen rum zu stolpern.

Die sind so auf Fressen fixiert,
dass sie den Futtertrog völlig verdecken
und man regelrecht mit ihnen kämpfen muss,
um ihn zu befüllen.

Tierhygienisch ist das eine Katastrophe.
Tag für Tag hocken diese Zuchtmonster um die Fütterungsstellen herum,
fressen, saufen, scheißen
– diese Industriekreationen bewegen sich tatsächlich nur auf einer Fläche,
kaum größer als ein Geschirrhandtuch,
schlimm !

Und dann kam die siebente Woche.
Ein Tier hatte ich frühzeitig entfernen müssen,
ansonsten aber ein vitaler Trupp gesunder Tiere,
bis ich beim morgendlichen Füttern den ersten Aspiranten fand,
der schlicht auf der Seite lag.

Bei so was muss man sofort reagieren,
diese Masttiere reagieren empfindlich und stecken sich schnell an.
Kunststück,
wenn man sich den ganzen Tag gegenseitig am Arsch hockt.

Ich überprüfe das Tier und stelle fest:
Der Vogel kippt um, weil er sein Gewicht nicht tragen kann.
Gesund, vital, verfressen wie seine Kollegen,
kann er schlicht nicht mehr laufen,
weil er zu schnell gewachsen ist.

Das Tier hat gute drei Kilo
und ich mache zum ersten Mal etwas
für meine Verhältnisse völlig untypisches – Spezialbehandlung.

Ich setze den Burschen in eine Ecke, wo sein Arsch Halt findet
und dann bekommt er eine persönliche Futterschale nebst Wasser,
nur für sich.
Er hat nur 300 Gramm verloren,
war gesund und munter – halt nur gehunfähig.

Ein paar Tage später der nächste Aspirant – Spezialbehandlung zwei.
Das reicht mir !

Ich forsche nach
und habe mal wieder Glück mit dem öffentlich–rechtlichen Fernsehfunk.
Dortselbst entdecke ich eine Sendung
in der ein Mitarbeiter des MDR sich dem Thema Masthühnchen
unter dem Blickwinkel des Selbstversuches als Hühnerhalter nähert.
Er zeigt eine Brüterei, in der täglich 700 000 Mastküken schlüpfen.

Dabei kommt heraus,
dass es hierzulande für die Mast
eigentlich nur noch zwei relevante Züchtungen gibt
– beide aus den USA und dort patentiert,
die allenthalben verwendet werden.

Sie bringen den höchsten Ertrag,
wachsen am schnellsten,
sind am profitabelsten
und haben die dickste Brust.

Letzteres ist besonders beliebt,
da in unseren Breiten der Rest weggeschmissen wird,
meist unter Zuhilfenahme von Exportsubventionen
und tiefgefroren Richtung Westafrika.

Mit diesem Weggewerfe
ist es uns inzwischen überaus erfolgreich gelungen,
die afrikanische Geflügelhaltung nachhaltig zu vernichten.

Wer selbst keine Nahrungsmittel herstellt,
kauft mehr bei uns unerwünschten Masttierabfall.
Gut so !

Zurück in meinen Stall.

Dort päpple ich nun also meine beiden Gehbehinderten
nebst den anderen Monstern bis gestern,
84 Tage nach Erwerb.
Ich bezeichne das als Notschlachtung.
Einer hatte schon wieder 5,4 kg ohne Mastfutter ab Tag 30 – unfassbar.

Mein Großvater sagt immer zu mir,
ich wäre wie ein Bauer.
In erster Linie interessiert mich, was als Ertrag rauskommt und was es mich kostet.
So bin ich aufgewachsen.
Die Arbeit zählt nicht,
der Ertrag muss stimmen.

So gesehen sind diese Mutanten in meiner Tiefkühltruhe das Nonplusultra
aber ich werde so was nicht wieder in meinen Stall lassen.

Ich bin kein Landwirtschaftsromantiker
und ich weiß, wie schön es ist, wenn man weniger als 10 Stunden am Tag
auf dem Lande schuften muss.
Wer nie Rüben verzogen hat,
sagen wir mal
als Spaß für die ganze Sippe nicht unter 6 Morgen
und danach noch zwei Mal zur Rundhacke über die Fläche gehastet ist,
kann leicht über Pestizide und Monstertechnik fabulieren.

Dennoch:
Die heutige Landwirtschaft läuft falsch,
weil sie ihre eigene Grundlage vernichtet
und / oder schädigt.
Die Böden werden sich rächen.

In den USA hat ein Unkraut,
welches inzwischen gegen das alleinig verwendete Roundup von Monsanto resistent ist,
schon an die 75 Millionen ha Ackerland vernichtet.

Die Tiere,
die wir halten sind tatsächlich nur noch Leistungsmonster,
wir entmenschlichen uns,
indem wir diese Geschöpfe „enttieren“.

Mein Ausweg sind Retromasthähnchen !

Kein Scherz – die gibt es wirklich.
Ich werde keine qualvoll humpelnden Masthuhnkisten mehr in meinen Stall lassen.
Sie hätten mal sehen sollen,
wie sich diese armen Tiere die Kotklumpen in die Ballen eingetreten hatten,
grauenvoll.

Übrigens hat das Referendum in Griechenland stattgefunden.
Der Finanzminister tritt zurück
und nun sind alle gespannt, ob und wie es weitergeht.

Das ist alles widerlich,
wohl noch widerlicher als überzüchtete Masthähnchen.

Wie wir „Europäer“ unsere Politvollpfosten agieren lassen,
sagt alles über uns,
Europa,
und die Macht des Geldes.

Wann ist eigentlich mal ein Nehmerland in unserer Republik pleitegegangen
oder auch nur annähernd so mies behandelt worden.

Wie humanitär katastrophal müsste die Lage in Bremen, Berlin oder bei uns sein,
wenn es europäisch laufen würde.

Das ist auch alles ekelerregend
und am Ende werden sie die Griechen brechen,
damit sie uns weiter belügen können.

Das wird dann der nächste Pyrrhussieg:
Europa wird Griechenland nicht mit der Demokratie durchkommen lassen.

Die ist hier nämlich verboten,
jedenfalls wenn das Volk sie praktiziert !

Volksabstimmung - das werdet ihr bereuen !
Have a nice week !

M. Eckart, ocs

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