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Fernsehen bildet – nicht immer !
Oft ist es schrecklich langweilig und es stellt sich heraus,
dass die genialste Erfindung an der Kiste der Ausschaltknopf ist.
In einigen ausgewählten Fällen allerdings,
kann Fernsehkonsum auch ungemein bilden, mindestens aber eigene,
bitter erworbene Kenntnisse untermauern.
So geschah es mir unlängst.
Mit steigendem Interesse verfolgte ich die Sendung über eine süddeutsche Kleinstadt.
Idylle pur – niedliche Häuser, niedliche Straßen, niedliche Leute
und ein niedlicher Rathausplatz.
Eines Tages kam der Bürgermeister des Städtchens auf die geniale Idee,
diesen Platz umzugestalten – Fördermittel von bis zu 60 Prozent der Kosten winkten.
Die Sache kam in den Gemeinderat und von dort in die Öffentlichkeit.
Dortselbst fiel einigen Bürgern auf,
dass bei der fundamentalen Umgestaltung zwei große Kastanien hätten weichen müssen.
Diese waren über die Jahrzehnte den meisten Bewohnern des Örtchens sehr ans Herz gewachsen.
Offenbar so sehr, dass sich flugs Widerstand regte,
gegen die Gestaltungsgelüste des Bürgermeisters.
Doch dieser wollte nicht ablassen von seinem Gestaltungswillen,
da stören Kastanien und Bürger nur.
Es kam, wie es oft kommt bei derlei Vorhaben – eine Bürgerinitiative wurde ins Leben gerufen,
sammelte Unterschriften wider das Projekt und für die heißgeliebten Kastanien.
Doch das focht den Bürgermeister nicht an.
Beseelt von seiner Vision, sich gestalterisch
und dabei noch gefördert im Städtchenbild zu verewigen,
trieb er die Sache unbeirrt voran.
Auch die Bürger blieben nicht untätig.
Sie wälzten Gesetze und Verordnungen, machten sich schlau und schlauer
und fanden ihn endlich – den Bürgerentscheid.
Das war das Ding !
Lassen wir die die Bürger mitentscheiden über diese Angelegenheit:
schattenspendende Kastanien wie seit Jahrzenten auf dem Platz
oder Brennholz, die nette Idylle war dahin.
Alles machten sie richtig, die Betreiber des Begehrens
und dabei dennoch einen schweren Fehler.
Sie informierten, wie es üblich ist,
ihren Bürgermeister und den Gemeinderat über ihre Absicht,
einen Bürgerentscheid anzustrengen,
auf das bis dahin keine weiteren Beschlüsse in dieser Angelegenheit mehr gefasst werden.
Doch genau das taten Bürgermeister und Gemeinderat im Angesicht des Begehrens unverzüglich.
Kaum hatte der Bürgermeister die Information über das störende Begehren erhalten,
berief er flugs eine außerordentliche Gemeinderatssitzung ein.
Dort gelang es ihm, so gegen halb zehn abends,
einen Beschluss zur Umgestaltung des Platzes herbeizuführen.
Am nächsten Morgen, punkt halb sieben
wurden die Anwohner von Motorsägenlärm geweckt.
Zehn Minuten später lagen die Kastanien flach,
um neun Uhr erinnerten nur zwei Stumpen an den einstigen Stolz des Städtchens.
Dort stehen nun Kerzen der Trauer, Mahnwachen werden abgehalten
und es ist endgültig vorbei mit der Idylle.
Plötzlich kamen Reporter in das Städtchen,
selbst ein Team des Landesfunkhauses durchstreifte für diesen Beitrag das Örtchen.
Dabei wurde natürlich auch der Bürgermeister zu der Angelegenheit befragt.
Freimütig gab er zur Kenntnis,
dass er nur einen Beschluss seines Gemeinderates umgesetzt habe
und dass nun, nachdem der Beschluss ausgeführt sei,
keine Möglichkeit für einen Bürgerentscheid mehr besteht,
Pech gehabt ihr Pappnasenbürger.
Inzwischen gibt es dort nun den Willen für eine zweite Bürgerinitiative,
die sich mit der Abwahl des Nichtbürgermeisters befasst.
Mir kommt all das unglaublich bekannt vor,
abgesehen von den Kastanien und dem Marktplatz.
Auch in Süddeutschland haben sich die Politiker zum Thema Bürgerbeteiligung
mittels Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
gleich die Umgehungsklausel in die Kommunalverfassung genagelt:
Ein Bürgerentscheid ist nur solange zulässig,
wie der Beschluss, gegen den er sich richten soll, noch nicht umgesetzt ist.
Wenn die Initiatoren eines solchen Begehrens zu blöd sind,
diesen von abends halb zehn,
zum folgenden Morgen halb sieben auf die Reihe zu bringen – Pech !!
Somit sind wir nicht die einzigen Trottel in Deutschland,
die sich eingebildet haben ein Bürgerentscheid, steht im Gesetz,
damit sich der Bürger beteiligt !
Schafscheiße !
Das Ding steht nur im Gesetz, damit der Trottelbürger glaubt,
er könne sich beteiligen.
Denn auch hier gilt:
Fein zu Ende lesen, das Beste kommt zum Schluss !
Das da was voll daneben läuft ist kürzlich auch den Grünen in M-V aufgefallen.
Sie stellten im Landtag den Antrag,
die Regelungen für einen Bürgerentscheid bürgerfreundlicher zu gestalten.
Dabei orientierten sie sich an aktuellen Regelungen anderer Bundesländer.
Immerhin datieren die Regelungen bei uns aus 1994, Aktualisierung angebracht.
„Um Gottes Willen nein !“,
halten SPD und CDU einmütig dagegen.
Man kann dem Bürger ständige Gesetzesänderungen doch nicht zumuten,
schließlich die Landesverfassung doch gerade 2011 reformiert worden.
Dass dabei die Regelungen zur Bürgerbeteiligung ausgespart wurden,
verschwieg man geflissentlich.
Witzig finde ich,
dass uns andere Gesetzesänderungen stets und ständig zugemutet werden können,
wenn‘s um Steuern geht, oder andere Kosten,
mit denen unsere Abgaben in Richtung der besorgten Politiker optimiert werden.
Am besten gefallen mir die regelmäßigen und sehr zügigen Versorgungsgesetze
für unsere Banken und Volksvertreter, da kann es nicht oft und schnell genug sein.
Ich wurde auf einem Festtagsgruß aus dem Amt
mal mit einem Spruch von Camus erfreut:
„Wer etwas erreichen will, findet Wege, wer nicht, Gründe".
Der Grund den SPD und CDU gegen die Bürgerbeteiligung gefunden haben, sagt alles.
„Du nicht Bürger !“
Have a nice week !
M. Eckart, ocs
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