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Ich habe sie gefunden !
Sie ist noch da.
Kaum mehr wahrnehmbar versteckt sie sich in einer kleinen Senke,
gleich hinter einem umgestürzten Baum.
Grau,
fast ein wenig schmuddelig kauert sie sich an den Rand des Landweges,
umstanden von Holundersträuchern,
einsam, klein und ängstlich.
Ich gehe zu ihr, man kann ihr Elend riechen.
Es findet sich immer jemand,
der im Angesicht einer Holzhütte am Wegesrand „mal muss“.
Auch ihr blieb das nicht erspart.
Reingehen mag ich nicht,
auch nicht am Ort verweilen.
Mir steht der Sinn auch nicht nach den reifen Holunderbeeren,
wie dem älteren Pärchen,
die soeben ihrem Auto entstiegen sind,
um hastig die Beeren zu pflücken.
Dem Autokennzeichen nach, sind sie eigens aus Schleswig angereist,
hoffentlich nicht nur wegen der paar Beeren.
Vielleicht wollten sie ja die spröde Schönheit der Kulturlandschaft hier selbst bewundern.
Zu diesem Zweck war ja dereinst die Hütte errichtet worden.
Errichtet für all die Menschen,
die auf ihrer Wanderung entlang des uralten Jakobsweges
für einen Augenblick verweilen wollen,
vielleicht um in der Erhabenheit der Landschaft ein wenig zu meditieren.
Wahlweise eventuell auch,
um der Größe der menschlichen Ingenieurskunst zu huldigen.
Denn von dieser ist hier wahrlich eine Menge zu bestaunen.
Und das habe ich getan.
Ich war und bin überwältigt von der schieren Größe
der mich und die kleine Hütte von drei Seiten umschließenden Windräder.
Wie Pilze auf einer sonnigen Oktoberwaldlichtung
sprießen sie übermächtig und unaufhaltsam empor,
aus dem welligen Land zwischen Fienstorf und Bentwisch und Kussewitz.
Staunend umrundete ich den ersten der neuen Kolosse,
mir wurde schwindlig beim Blick hinauf zum Rotor,
die weißen Wolken ziehen am blauen Himmel schnell vorbei
und es mutete an, als würde der gewaltige Mast umstürzen wollen.
Ungläubig durchmesse ich eine vorbereitete Fundamentplattform forschen Schrittes,
um festzustellen,
dass manch Grundstück eines Häuslebauers im nahen Fienstorf eher kleiner ist.
Ungläubig zählte ich die Masten, Fundamente, Stumpen und Plateaus
und bin baff.
Sie hat sie aufgefressen !
Die Kunst des Menschen, riesige Windräder zu errichten
hat hier den kleinen Rest Landschaft verschlungen,
gierig, erbarmungslos und endgültig.
Ich bin jetzt am Wendehammer Nordwest in Fienstorf angelangt.
Nur kurz blicke ich zurück in die einstmals ansehnliche, launische Welligkeit,
die sich unbeschadet wenigstens bis zum Umspannwerk trotzig dem Auge bot,
allein sie ist verschwunden.
Stolz und mächtig und selbstbewusst, alternativlos und endgültig
herrschen nun die Windräder über die Landschaft,
die kleine graue Hütte und das hinter mir liegende Dorf.
Wie sehr sie herrschen,
werden die Fienstorfer möglicherweise noch schneller und direkter realisieren,
als bisher vermutlich ohnehin schon.
Unser Gemeinderat meint,
die Straße in Fienstorf,
genauer die Seite zu den Windrädern hin,
muss gemacht werden.
Und in unserem Broderstorf ist man nicht für halbe Sachen.
Wenn man schon,
wie jetzt,
100.000 Euro Startkapital aus einem Windradvertrag hat,
dann sollte man dieses Geld doch dazu verwenden,
den Eigenanteil der Gemeinde für Fördermittel einzusetzen.
Damit würde die Finanzierung einer Grundsanierung der Straße stehen.
Dank der nun vorhandenen Straßenbaubeitragssatzung
gibt es keine Schwierigkeiten und die Anwohner werden voll der Freude sein,
in Erwartung einer neuen Straße.
Alles Weitere ist offen.
Vielleicht verzichtet die Gemeinde ja auf Fördermittel
und lässt die Fienstorfer finanziell ungeschoren.
Das wird bestimmt ganz freundschaftlich besprochen,
wenn man unter sich ist.
Andersrum,
wozu sollte es die Straßenbaubeitragsatzung geben,
wenn diese Sätze dann nicht erhoben werden.
Schließlich nutzen nicht nur die Windraderbauer die Straße,
sondern auch die Anwohner.
Genau genommen in erster Linie die Anwohner.
Eigentlich fast ausschließlich.
Warum zum Geier sollte man denn als Gemeinde da keine Beiträge erheben,
wenn man eine neue, vernünftige Straße für die Anwohner baut
und mittels der Beitragssatzung verpflichtet ist,
Beiträge zu erheben ?
Ich weiß es einfach nicht !
Inzwischen bin ich auf der Straße von Öftenhäven nach Steinfeld.
Kurz vor dem Landweg nach Bussewitz halte ich noch mal an
und blicke über den Acker Richtung Fienstorf.
Beklemmend, finde ich.
Vor dem Dorf die grünglänzenden Gärbehälter der Biogasanlage
und von der Seite erhebt sich die Armee der Windräder,
unaufhaltsam,
Rad für Rad.
Vielleicht fühlt man sich dort nun geborgen und beschützt,
ich glaube es nicht !
Von hier sieht das Dorf mit seinen Dächern,
die klein und verloren hinter den Hecken hervorschauen
fast sehen sie ein wenig aus,
wie die einsame graue Hütte am Jakobsweg.
Steht erst noch die Mastanlage ist es vollbracht.
Ein Dorf, umschlossen von all dem,
was Menschen wohl kaum suchen, wenn sie aufs „Land“ ziehen.
Wenigstens eine neue Straße,
Gott sei Dank
oder wem man sonst dafür zu danken hat,
für all das !
Have a nice week !
M. Eckart ocs
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