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Good morning STEINFELD !
Kolumne zum Wochenbeginn
Numero 7

ocs

Waren Sie schon mal im Reichstag, pardon – im Bundestag natürlich?

Ich schon !

Grandioser Bau, alles lichtdurchflutet, offen, lange Sichtachsen.
Man spürt förmlich das durchaus gelungene Bestreben des Architekten
Volkes Kammer für das Volk zu öffnen, greifbar, erlebbar und vor allem offen.
Tausende Besucher erklimmen Tag für Tag die Kuppel des Parlamentsgebäudes,
ganz selbstverständlich, ganz selbstbewusst.
Essen, trinken, sitzen, verweilen,
in die Ferne blicken – über Berlin – alles kein Problem.

O.K.
Eingangskontrolle wie auf dem Flugplatz – klaro – safety at first.
Aber sonst – selbst eines hastig eilenden Vertreters unserer Interessen,
bei dessen Vorbeieilen man sich wie in Zeitlupe umdreht
und so nachblickend sinniert:
„Mensch, das war doch grad der – wie hieß der noch – den kenn ich doch
der ist doch von der CDU oder FDP, nein SPD, ach Quatsch von der Linken.
Der hat doch neulich bei der Illner gesagt
wir brauchen mehr Europa und weniger Deutschland!“
,
kann man angesichtig werden.

Beinahe wäre es einem eingefallen,
allein schon geht es weiter in das Allerheiligste, den Plenarsaal.

Ein Erlebnis – wie ein riesiges Atrium, überwölbt von der Glaskuppel,
durch die man jene wandeln sieht,
die den Weg auf die Spitze des Hauses noch vor oder gerade hinter sich haben.

Von den Zuschauerrängen öffnet sich der Blick in den Plenarsaal,
frei und ungehindert, fast ein wenig von „oben herab“ aber nur fast.

Mir gefällt diese offene Architektur, die sagt:
„Hey – Bürger, wir haben nichts zu verbergen.
Schau ruhig rein bei uns, wir arbeiten ja für Dich."


Waren Sie kürzlich mal im Amt Carbäk?

Auch dies ist ein so offener Bau, mit Atrium und allem Drum und Dran.

Ein offener Flur umfasst auf Deck 2, also oben, den glasbewölbten Innenhof.
Auch hier war es wohl das Bestreben des Architekten
Offenheit und Transparenz zu schaffen.

Ich gebe zu, in den vergangenen Jahren
wusste ich diese offene Bauweise sehr zu schätzen,
gelegentlich auch zu nutzen,
wenn ich vor der gläsernen Tür stand und mich bemerkbar machen konnte,
oder ich Aufmerksamkeit zu erregen in der Lage war,
wenn ich von unten einen Mitarbeiter erblickte.

Das geschah in den seltenen Fällen,
bei denen ich außerhalb der spärlichen Geschäftszeiten zum Amt eilte,
weil ich die neueren, kargeren Öffnungszeiten einfach noch nicht drauf hatte.

Doch fast immer konnte ich vordringen in die Geschäftigkeit,
dank des freundlichen Entgegenkommens hilfsbereiter Mitarbeiter dortselbst.

Doch bei meinem letzten Besuch war das anders.

Inzwischen muss über den offenen Flur des Amtes ein dermaßen eisiger Wind wehen,
dass die Eingangstür völlig von blickdichtem Reif überzogen ist.

Ich habe es selbst gesehen !

Zwar sagte mir ein Bekannter dem ich davon erzählte, ich wäre ein Idiot,
denn es würde sich nicht um Reif handeln,
sondern um eine eigens angebrachte Sichtfolie.

Sie wissen schon, so eine,
die man sonst eher an Fenstern von öffentlichen Räumlichkeiten,
bei deren Gebrauch man nun wirklich lieber ganz für sich ist, vorfindet.

Doch das kann ich nicht glauben !

Es ist mir unvorstellbar,
dass man die gläserner Zugangstür des Amtes Carbäk verklebte,
wozu auch?

Haben sich außerhalb der Geschäftszeiten
denn Amtsflurfetischisten stundenlag die Nase plattgedrückt an der Glastür,
um den Mitarbeitern beim Gang von Amtsstube zu Amtsstube lüstern zuzusehen?

Wozu, wenn man sich doch, bei Bedarf mit einem Stuhl bewaffnet,
nur ins Atrium setzen braucht, um den gleichen Effekt zu erzielen?

Wenn es denn eine Folie ist, verstehe ich sie nicht.

Sie ist sinnlos und sendet ein seltsames Signal aus,
nämlich das von – glotz nicht so !

Was wäre dann der nächste Schritt zum „Rückbau“ der Offenheit?

Ein Abhängung aus weißen Stoff im Atrium,
gleich einer Schneedecke,
die sich auf den Besucher legt und all die Emsigkeit verbirgt,
wie die Schneedecke im Freien,
unter der reges Leben auf langen Gängen seinen Fortgang nimmt?

Diese Neuerung schafft Unbehagen.

Zugegeben, solange nur bei mir – schnurz oder sogar – na bitte !

Hoffen wir alle gemeinsam,
dass keine Eiszeit anbricht im Amt Carbäk
und der Reif, an den ich lieber glauben mag,
zur Heizsaison dahinschmilzt, wie der Schnee unter der Frühlingssonne.

Have a nice week !

M. Eckart, ocs

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