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Good morning STEINFELD !
Kolumne zum Wochenbeginn
Numero 71

ocs

„Was für ein Scheißzeug !“,
so fluchten meine Mitschüler und ich um die Wette,
wenn es mal wieder hieß,
Grobschlag mit Brechsand als untere Tragschicht „einzubauen“.
Dann standen wir mit unseren legendären „UB 1 mit Holzausleger“
auch bekannt als Schippe vor einem Haufen sehr grober Schottersteinen,
vermengt mit seltsam feinem, manchmal feuchtem Sand
und keulten dieses Mistzeug im Straßenunterbau breit.
Dieser Kram ließ sich noch beschissener als reiner Schotter verarbeiten,
einerseits weil der Grobschlag eine noch größere „Körnung“ als Schotter hatte
und andererseits weil der feine Brechsand verhinderte,
dass man mehr als zwei, max. drei Grobschlagsteine auf die Schippe bekam.

Ich war von 1981-1984 in Zwickau zur Ausbildung als Straßenbauer
und an solchen Tagen beneideten wir die andere Hälfte unserer Klasse,
die zu Gleisbauern, also „Schotterknechten“ ausgebildet wurden.

Die hatten es mit ihrem reinen Schotter,
der sich zwar auch beschissen aber längst nicht so wie unser Zeug,
mit Schotterforken verteilen ließ,
erheblich besser.
Allerdings auch nur da.
Der Schotter beim Gleisbau sah auch anders aus,
rein farblich.
Doch das bekümmerte uns nicht sehr,
zunächst.

Die Unbekümmertheit wich dann aber doch ein wenig,
als wir das erste Mal den Begriff „Pechblende“ hörten.

Genaugenommen war es nicht das Wort, sondern was dahinter steckte.

Einer unser Mitschüler war aus Aue.
Das an sich, in Verbindungen mit dem grausigen Dialekt, war schon schlimm genug
und wurde nur gemildert, durch den „Akzisefreien Trinkbranntwein“
für EVP 4,35 Mark der DDR, den er bisweilen bei seinem Vater für unseren „Appelkorn“ abstaubte,
der daraus flugs hergestellt wurde.

Dieser Mitschüler nun wusste zu berichten,
dass unser Grobschlag der Abraum vom Pechblendeabbau bei der „Wismut“ sei
und Pechblende sei „irgendwas mit Uran“.
Deswegen durfte das Zeug auch nicht im Gleisbau verwendet werden,
wo es frei in der Walachei rumgelegen hätte,
kreuz und quer im Land der Eisenbahn,
nein so was gehörte in den „Straßenkörper“.

Ist ungefährlich, sagten die Lehrausbilder.

Deswegen hatte es auch ganz andere Gründe,
dass wir alle nach der Arbeit zum Betriebsarzt mussten
und uns dort ein Geigerzähler an die Klötzer gehalten wurde,
natürlich nur zur Vorsicht.

Auch über die Baustellen schlenderte immer mal wieder ein „Inschinör“
mit so nem Kasten
und solange das Zeug frei lag, wurde es immer schön feucht gehalten,
damit der kontaminierte Brechsand nicht vor jede Kindergartentür weht.

Wir hatten damals andere Sorgen,
als uns über die Verwendung von Abraumprodukten
aus unserer strahlend schönen Urangewinnung ne Birne zu machen.
Wieviel Bier kann ich mir die Woche noch leisten
und wer kotzt heut als erster und wohin ?
Das waren wichtige Fragen,
1981 - 1984 in Zwickau !

Später allerdings machte selbst ich mir ein paar mehr Gedanken zum Thema
und wenn mich heute jemand mit der lustigen Bemerkung:
„Na du siehst ja wieder ganz schön verstrahlt aus!“ erfreut,
kann ich nicht wirklich lachen.

Ja, ne is klar !
Das erklärt natürlich einiges !
Hah! Hah!

Was treibt mich nun aber dazu,
diese Nebensächlichkeit aus grauer Vorzeit zum Besten zu geben ?

Bundesdeutsches Recht – genauer gesagt Nichtrecht !

Aus dieser Zeit, des Pechblendeabbaus
liegen noch ca. 300 Millionen Kubikmeter „schwach radioaktives“ Gestein auf Wismuthalden rum.
Wir haben also nicht alles im DDR-Straßenbau verstecken können,
Mist !

Das ist kein Wunder,
denn in der DDR hat man das eben so gemacht,
deswegen war ja auch alles Scheiße
und heute ist alles besser und außerdem und überhaupt.

Vor allem das DDR-Recht war echt Scheiße,
das wissen wir alle.

Deswegen wurde auch alles abgeschafft,
sehr erfolgreich,
fast alles auch ganz vernünftig
aber eben nicht beim „strahlend schönen“ Uranabraum.
Weil der eben da bei der Wismut immer noch auf Halde liegt
und keiner den Dreck anfassen will,
da man das Zeug nach bundesdeutschem Umweltrecht irgendwo korrekt endlagern müsste,
hat mein einfach das alte DDR-Recht für diesen Fall behalten (übergeleitet).
Hier gilt die Verordnung
über die Gewährleistung von Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR vom 11.10.1984.

Siehste, geht doch !

Das Bundeswirtschaftsministerium hat knallhart rausgefunden:
„Das dieses so etablierte Regelungsregime den allgemeinen Vorschriften
des bundesdeutschen Atomgesetzes und der Strahlenschutzverordnung vorgeht
und diese bundesdeutschen Regelungen somit nicht anwendbar sind."

Es handelt sich zwar um radioaktiven Abraum aber nicht,
wenn fossiles DDR-Recht angewendet wird.

Ich will an dieser Stelle lieber nicht fragen,
was man sich denn sonst noch für DDR-Gesetze für den Fall der Fälle bereithält,
möchte aber dennoch an dieser Stelle meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen,
dass diese Auslegungen nicht auch noch für ein paar mittelalterliche Inquisitionsgesetze gelten.

Recht ist, was angewendet wird, nicht was Recht ist.

Passen alte Gesetze, um sich vor Verantwortung zu drücken,
gehen sie den eigenen Regelungen des „Rechtsstaates“ vor.

Ansonsten waren die DDR-Gesetze natürlich Unrechtsgesetze
und gehörten abgeschafft.

Jedes Regime macht sich sein eigenes Recht.

Doch warum in die Ferne streifen,
das Gute liegt so nah !

Recht so !
Weiter so !
Alles bleibt besser, auch 2014 !

Have a nice week !

Und nein, meine Eier strahlen nicht !
Danke der Nachfrage !

M. Eckart ocs

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